Xella International

Digitalisierung ist für uns ein ganzheitlicher Prozess

Jochen Friedrichs (l.), Chief Digital Officer (CDO) bei Xella, und Produktmanagement-Leiter Markus Heße erklären, wie man das Geschäft mit sehr materiellen Produkten erfolgreich mit der digitalen Welt verknüpft.Foto: Xella

Seit Anfang des Jahres kümmert sich Jochen Friedrichs als neuer Chief Digital Officer (CDO) bei Xella um die digitale Transformation des Baustoffkonzerns. Am Firmensitz in Duisburg sprach ABZ-Chefredakteur Robert Bachmann mit ihm und Produktmanagement-Leiter Markus Heße darüber, wie man das Geschäft mit sehr materiellen Produkten erfolgreich mit der digitalen Welt verknüpft.

ABZ: Herr Friedrichs, können Sie uns kurz sagen, woher Sie kommen und was Sie in Ihre neue Position bei Xella gebracht hat?

Friedrichs: Im Grunde habe ich mich schon immer mit Transformation beschäftigt. Seit dem Studium habe ich in verschiedenen Positionen bei verschiedenen Unternehmen den Übergangsprozess von einem Zustand in einen anderen begleitet. Das trifft im Besonderen nun auch auf das Thema "digitale Transformation" zu. Ich denke, wir sind aktuell – gesamtgesellschaftlich gesehen – damit beschäftigt, die digitale Welt mit der realen zu verknüpfen. Digitale Lösungen sind heute mannigfaltig vorhanden. Meistens sind diese jedoch noch nicht adäquat mit dem realen Leben verlinkt. Genau darin besteht die Aufgabe, der ich mich zusammen mit den Kollegen hier bei Xella seit Anfang des Jahres widme: offline und online miteinander zu verknüpfen. Das ist ein sehr ganzheitlicher Prozess, der sich über sämtliche Unternehmensbereiche erstreckt.

ABZ: Welchen Zustand haben Sie denn bei Xella vorgefunden?

Friedrichs: Im Grunde einen sehr guten. Digitalisierung gibt es bei Xella schon seit Jahren. Und zwar in dem Maße, wie es Mitarbeiter gibt, die sich mit diesem Bereich auseinandersetzen. Das wurde bei Xella immer gefördert. Ein gutes Beispiel hierfür ist Markus Heße, der bei Xella International das Produktmanagement leitet und heute an vorderster Front das Thema BIM im Konzern vorantreibt. Entsprechend gab es innerhalb der Unternehmensgruppe bereits zahlreiche digitale Insellösungen. Was durch unsere Arbeit nun dazu kommt, ist eine zentrale Strategie, in der diese einzelnen Ansätze auf ein gemeinsames Ziel hin gebündelt werden.

Heße: Mittlerweile wird viel vernetzter gedacht. Informationen müssen im richtigen Moment dem richtigen Kunden bereitgestellt werden. Das geht nur auf Grundlage einer durchgehenden Digitalisierungsstrategie. Ganz einfach gesagt: Wir wollen dafür sorgen, dass am Ende genau der Stein auf die Baustelle kommt, den der Kunde braucht. Unsere digitalen Lösungen helfen uns dabei, den Planern, Bauherren etc. das bestmögliche Angebot zu machen, indem wir Informationen zielgenau ausspielen. Ganz wichtig war für uns daher auch, dass wir eine zentrale, singuläre Datenquelle etablieren, aus der alle in der Entwicklung befindlichen Lösungen mit Daten gespeist werden. Früher hat man einen Katalog zur Hand genommen, um an die erforderlichen Produktinformationen zu gelangen. Wenn dieser nicht aktuell ist, stimmen auch die Informationen nicht mehr. Digital haben wir die Möglichkeit, eine zentrale Anlaufstelle zu schaffen, die von überall aus zu jeder Zeit erreichbar ist und die permanent auf dem aktuellen Stand ist.

ABZ: Wie gehen Sie bei diesem doch sehr ambitionierten Vorhaben vor?

Friedrichs: Sehr dezentral. Die eigentliche Abteilung, die sich konkret mit der Digitalisierung des Geschäfts befasst, ist sehr klein. Wir identifizieren zunächst in jeder Abteilung Mitarbeiter, die sich bereits mit digitalen Lösungen beschäftigen und offen dafür sind. So haben wir in jeder Abteilung mittlerweile feste Teams, mit denen wir uns sehr eng austauschen und mit denen wir die Road-Map entwickeln, entlang derer sie ihre Lösungen entwickeln. So kommen wir zu sehr effektiven Ergebnissen, die sich auch multiplizieren und internationalisieren lassen.

Heße: Das ist einer der großen Vorteile der Digitalisierung: Bei Xella verantworte ich jetzt seit vier Jahren sämtliche Maßnahmen, die mit dem Bereich Building Information Modeling (BIM) zu tun haben – auch auf internationaler Ebene und über alle Unternehmensbereiche hinweg. Digitalisierung, wenn man einmal damit beginnt, lässt sich im Grunde sehr einfach auf alle Unternehmensbereiche multiplizieren. Unabhängig vom jeweiligen Produkt kommen wir immer wieder auf den gleichen Punkt zurück: Daten, die ausgetauscht werden müssen. Die Prozesse dahinter sind in der Regel die gleichen. Die eigentliche Kunst besteht darin, die Daten für die unterschiedlichen Ansprechpartner bedarfsgerecht aufzuarbeiten und zielgerichtet bereitzustellen.

ABZ: Wie genau gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor? Wie sieht die Road-Map zur Digitalisierung bei Xella aus?

Friedrichs: Wie gesagt, Digitalisierung funktioniert aus unserer Sicht nur, wenn sie ganzheitlich umgesetzt wird. Ganz wichtig für unsere Strategie ist es, dass wir uns bei allen Maßnahmen stets auf die sogenannte "Customer Journey" besinnen, also den Prozess, den ein Kunde vor, bei und nach der Entscheidung für ein Produkt durchläuft. Für uns steht immer die Frage im Mittelpunkt, wie und an welchen Stellen dieses Prozesses wir den Kunden mit unseren digitalen Lösungen einen Mehrwert verschaffen können.

Heße: Von der Produktion über die Verwaltung bis hin zum Vertrieb müssen unsere Maßnahmen deshalb in allen Bereichen greifen, um am Ende auf das Ergebnis zu kommen, das dem Kunden auch hilft. An erster Stelle steht natürlich, unsere Produkte und Produktinformationen digital abzubilden, damit wir diese bspw. in BIM-Modelle einbinden können. Darüber hinaus bedienen wir von Industrie 4.0-Lösungen über Customer Relation Management (CRM)-Systeme, Tracking-Systeme in der Logistik bis hin zu Apps und Software-Lösungen für den Kunden die gesamte Bandbreite des Digitalisierungsspektrums.

Von Offline zu Online.Abb.: Xella

ABZ: Sind Ihre Kunden denn bereits dort, wo sie abgeholt werden sollen?

Friedrichs: Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Je nach Affinität zu neuen Technologien und fachlich-beruflichem Hintergrund treffen wir hier auf ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Grundsätzlich darf das aber für uns keine Rolle spielen. Wie gesagt wollen wir den Kunden mit unseren Lösungen das Leben einfacher machen. Unsere Herangehensweise sieht daher auch vor, den Kunden eben dort abzuholen, wo er steht. Grundlegend haben wir unser Angebot in drei Hauptbereiche aufgeteilt: Privatkunden (singuläre Baumaßnahme), Großkunden (sich wiederholende Baumaßnahmen) und Projektkunden (komplexe Baumaßnahmen, bei denen verschiedene Akteure koordiniert werden müssen). Je nachdem, aus welchem Bereich der Kunde kommt, sieht unsere Dienstleistung ganz anders aus: Von einfachen Apps, mit denen der Vertrieb die Vorteile unserer Produkte gegenüber dem Kunden sehr anschaulich visualisieren kann, bis hin zu Kerntechnologien wie BIM, mit denen sich ganze Bauprozesse abdecken lassen. Hinzu kommen Aspekte wie die genannten CRM-Systeme, die der Kunde zunächst gar nicht sieht, die uns aber helfen, zu verstehen, wie zufrieden ein Kunde mit unserer Dienstleistung ist.

Heße: Gerade im Bereich BIM sind wir in Deutschland sicherlich noch etwas hinterher. Während größere Architekturbüros seit Jahren sehr aktiv mit BIM arbeiten, stehen viele der kleineren Büros aktuell an der Schwelle, die klassische 2D-Planung zugunsten von 3D-Modellen zu verlassen. Eine Hürde ist sicherlich, dass sich der Mehrwert von BIM nicht sofort nach der Umstellung erschließt. Auch diese Arbeitsweise muss sich erst einmal einspielen, bevor sich die zahlreichen Optimierungspotenziale bemerkbar machen. Darüber hinaus ist der Bau in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern sehr kleinteilig strukturiert. Die Herausforderung beim Thema BIM ist, diese vielen unterschiedlichen Akteure an eine digitale Plattform anzuschließen. Für uns bedeutet das vor allem, dass in der Bereitstellung der Informationen niemand benachteiligt werden darf, egal, ob der Betroffene nun bereits mit BIM arbeitet oder nicht. Die Digitalisierung am Bau ist in Deutschland also noch voll im Gange. Wir holen jedoch mit großen Schritten auf.

ABZ: Wie gehen Sie dabei mit der sog. Schnittstellenproblematik um?

Friedrichs: Ich denke, dass es dringend Standards braucht. Deshalb engagieren auch wir uns in den entsprechenden Ausschüssen und Gremien. Auf der anderen Seite können wir als Industrie nicht darauf warten, bis ein solcher Standard einmal existiert. Wir müssen unsere Kunden jetzt bedienen können. Das bedeutet für uns, flexibel zu sein und Systeme zu schaffen, mit denen jeder arbeiten kann. Wenn der Kunde ein Modell hat, dann nehmen wir das und arbeiten damit. Am Ende bekommt er sein Modell im gleichen Format wieder zurück. Wenn die Grundlage nicht optimal ist, bieten wir dem Kunden gerne an, ihn bei der Umstellung zu unterstützen. Vorschreiben wollen wir ihm seine Arbeitsweise jedoch nicht.

Heße: Wenn wir über Planungsdaten sprechen, dann gibt es aktuell drei Formate, die sich als maßgeblich herauskristallisieren und die man auf jeden Fall bedienen muss. Das können wir. Die Daten sind in jedem Fall die gleichen, lediglich die Anordnung unterscheidet sich. Zudem geht die Entwicklung mehr und mehr dahin, dass zwischen den verschiedenen Schnittstellen Datenserver geschaltet werden, die quasi als Übersetzer fungieren. Das zu leisten, ist auch unser Anspruch.

ABZ: Welche Vorteile ziehen Sie aus der Digitalisierung Ihres Beratungsangebots?

Heße: Wir können dem Kunden damit das komplette Thema Wand abnehmen und beherrschbar machen. Wenn der Kunde uns seine Voraussetzungen und Zielvorgaben mitteilt, können wir ihm die optimale Lösung als digital nachvollziehbares Modell aufbereiten. Und das eben nicht nur vor Ort, sondern von hier aus überall auf der Welt. Das Tolle an BIM ist, dass wir in dem Modell nicht nur unsere eigenen Produkte einberechnen können, sondern eben auch andere Bestandteile eines durchaus komplexen Themas wie einer Wandkonstruktion.

Friedrichs: Damit eröffnen sich uns auch ganz neue Wege, die Vorteile unserer Produkte gegenüber denen des Wettbewerbs darzustellen. Wir verwenden extrem viel Energie darauf, unseren Vertrieb dafür zu qualifizieren, die Vorzüge unserer Produkte zu vermitteln. Bei einem Thema wie der Wand wird das schnell sehr komplex, da die Variantenvielfalt extrem hoch ist und jeder Kunde andere Prioritäten setzt. In einem Modell, einer App oder Ähnliches, wo völlig neutrale Daten verarbeitet werden, lässt sich das nun mit nur wenigen Handgriffen ideal visualisieren, und es wird für unseren Vertrieb und auch unsere Kunden einfacher.

ABZ: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen einer solchen Digitalisierungsoffensive?

Friedrichs: Die Herausforderung ist weder die Technik, noch sind es die Daten. Das Wichtigste und vielleicht auch Schwierigste bei der Digitalisierung ist, die Menschen mitzunehmen. Weniger in Bezug auf die unterschiedliche Affinität zu neuen Technologien, sondern in Bezug auf die vielschichtigen Sichtweisen und Herangehensweisen. Jeder versteht unter Digitalisierung etwas anderes. Viele denken zuallererst an E-Commerce. Das trifft aber keineswegs das, was wir hier machen. Hier geht es nicht um den reinen Verkauf über einen digitalen Vertriebskanal, sondern um das Abbilden des gesamten Planungsprozesses, um damit das Gebäude besser zu machen, in dem unsere Produkte zum Einsatz kommen. Wir bauen hier nicht einfach einen Online-Shop auf, sondern wir wollen den Kunden schon ganz am Anfang seiner Planung abholen, bevor er überhaupt ans Bestellen denkt.

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