Intelligente Softwarelösungen für die Baubranche

"Früher waren sie 'nice to have', heute sind sie ein Muss"

Die Digitalisierung der Baustelle macht passgenaues Arbeiten öglich.

Das Unternehmen Autodesk und das Marktforschungsinstitut IDC haben kürzlich die Ergebnisse eines neuen IDC-Infobriefs zum Thema "Digitalisierung innerhalb der Bauindustrie" vorgestellt. Für die Studie wurden 835 große Bauunternehmen in Europa, Asien sowie Nord- und Südamerika – darunter auch 51 aus Deutschland – zum Stand und den Herausforderungen bei der digitalen Transformation in der Branche befragt. Im Interview mit ABZ-Volontärin Julia Gräßler sprach Marek Suchocki, Industry Engagement Lead bei Autodesk, über Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Studie.

ABZ: Herr Suchocki, könnten Sie zu Beginn den Hintergrund der Studie für unsere Leserinnen und Leser erläutern? Worum geht es?

Suchocki: In der Studie ging es uns vor allem darum, zu verstehen, wie die unterschiedlichen internationalen Unternehmen unsere Autodesk-Technologien und damit verwandte Systemlösungen verwenden. Zudem wollten wir Marktunterschiede und einzelne Kunden-Organisationen besser verstehen. Ziel war es außerdem, die Lösungen, die wir bereits entwickelt haben, weiter zu verbessern, damit unsere Kunden diese in weiteren Ländern unter unterschiedlichen Bedingungen nutzen können.

ABZ: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Studie?

Suchocki: Innerhalb der Studie haben wir weltweit fünf digitale Blockaden identifiziert, die Unternehmen auf dem Weg in eine erfolgreiche digitale Transformation überwinden müssen. So fehlt bei vielen der befragten Bauunternehmen eine ganzheitliche Digital-Strategie – aber auch an der Umsetzung von digitalen Workflows im gesamten Unternehmen hapert es oft. In vielen Unternehmen gibt es häufig einzelne kleinere ,Innovationsinseln'. Dort werden zwar digitale Lösungen ausgeführt und getestet, dies erstreckt sich jedoch häufig nicht auf das ganze Unternehmen. Lediglich einzelne Expertengruppen widmen sich dort innovativen Strukturen. Dieses Beispiel ist insofern wichtig, als dass es in Deutschland beispielsweise viele unterschiedlich große Firmen gibt. Der Vorteil für die kleineren Unternehmen besteht darin, dass sie neue digitale Strukturen schneller in ihren Arbeitsalltag implementieren können, als das in großen Unternehmen der Fall ist. Kleinere Firmen 'lernen schneller aus Fehlern' und können diese schneller korrigieren und ihre Lösungen anpassen. Das führt im weiteren Verlauf dazu, dass sie oftmals früher mit digitalen Strukturen arbeiten können als große Konzerne, die digitale Lösungen in einem viel breiteren Feld integrieren müssen.

ABZ: Gibt es einen oder mehrere Schlüsselaspekte, die Sie innerhalb der Studie ausmachen konnten, die für Autodesk als Lösungsanbieter besonders wichtig sind?

Suchocki: Eine sehr wichtige Erkenntnis war, dass 46 Prozent der befragten Firmen als größte Hürde die Erstellung einer strategischen und taktischen Roadmap für die Implementierung von Technologieinvestitionen angegeben haben. Das verlangsamt natürlich die Digitalisierung innerhalb der Unternehmen.

Für Autodesk ist diese Erkenntnis wichtig, weil wir viel daran setzen, mit unseren Kunden zusammen gute und starke digitale Lösungen zu entwickeln, mit deren Hilfe sie wiederum effizienter arbeiten können.

Darüber hinaus ist uns aufgefallen, dass es viele uneinheitliche Schlüsselindikatoren, so genannte KPIs, also Key Performance Indicators, gibt, mit denen Firmen ihre Produktivität messen. Das, was die eine Firma misst, ist nicht dasselbe, was ein anderes Unternehmen unter einem bestimmten KPI verbucht, auch wenn beide es unter demselben Begriff festhalten. Das Verständnis kann sehr unterschiedlich sein, denn Produktivität wird in mehr als einer Weise gemessen. Demnach ist es gerade in der Baubrache schwieriger, Produktivität einheitlich zu messen.

Marek Suchocki ist Industry Engagement Lead bei Autodesk.

ABZ: Wie würden Sie die Geschwindigkeit der Digitalisierung in der Bau-branche beschreiben? Haben Sie in den vergangenen Jahren Veränderungen bemerkt?

Suchocki:Die Digitalisierung schreitet jetzt definitiv schneller voran als noch vor ein paar Jahren. Das ist aber dem Umstand geschuldet, dass es jetzt auch wirklich Zeit wird, dass Unternehmen ihre Arbeitsweisen digitalisieren. Früher waren digitale Lösungen in der Baubranche 'nice to have', heute sind sie ein Muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Kundenanfragen bestimmen das Tempo der Digitalisierung innerhalb der Branche, und es ist deutlich zu merken, dass die Geschwindigkeit ziemlich ansteigt. Es gibt aber natürlich auch einige Firmen und Unternehmen die sich auch heute noch schwer damit tun, digitale Strukturen in ihr Alltagsgeschäft einzubinden.

ABZ: Im Vergleich innerhalb der Studie liegt Europa ziemlich weit vorn. Warum?

Suchocki: Der Fortschritt in Europa ist deutlich zu bemerken, weil es jetzt in einigen europäischen Ländern Pflicht ist, mit BIM zu arbeiten. Nehmen wir England als Beispiel: Dort werden staatliche Groß-projekte seit April ausschließlich mit BIM umgesetzt. Das hat dazu geführt, dass viele Unternehmen jetzt nachziehen müssen. Um in diesem Bereich zu unterstützen, hat Autodesk internationale Standards und Richtlinien entworfen, um das Ganze so einheitlich wie möglich zu gestalten. Das deutsche Pendant ist die Initiative 'Planen Bauen 4.0'. Viele Unternehmen – und das bezieht sich nicht bloß auf den europäischen, sondern auf den weltweiten Markt – merken bereits, dass digitalisiertes Arbeiten ein besserer Weg ist, um gewerkübergreifende Arbeit effizienter zu erledigen.

ABZ: Es heißt, Deutschland sei im Hinblick auf die Arbeit mit BIM noch ziemlich konservativ und vorsichtig. Warum ist das so, und wo würden Sie Deutschland innerhalb der Studie verorten?

Suchocki: In Deutschland sind die Baubranche und die einzelnen Gewerke meiner Meinung nach hoch respektiert. Das ist natürlich positiv, bringt aber auch in einigen Fällen mit sich, dass bestehende Standards und Richtlinien stark geschützt sind. Digitaler Wandel wird erschwert, weil oftmals die Mentalität dahinter steckt 'So machen wir das hier eben schon immer'. Zudem ist die Baubranche ein alterndes Gewerbe, obwohl es viele tolle Chancen und Möglichkeiten für Nachwuchskräfte im Baugewerbe gibt. Die ältere Generation arbeitet häufig noch mit einer Art 'pen und paper mentality', also mit dem Wunsch, alles nach den althergebrachten Methoden umzusetzen. Das ist heutzutage allerdings weder zielführend noch zeitgemäß. Diese Art zu arbeiten funktioniert nicht mehr, wenn man wettbewerbsfähig bleiben möchte.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Implementierung digitaler Neuerungen als störend empfunden wird. Teilweise stehen die Menschen diesen Strukturen eher abweisend gegenüber. Dabei ist es empfehlenswert, sich global zu öffnen, um neue Märkte zu erschließen und länderübergreifend und digital große Projekte zu realisieren.

ABZ: Wie lautet Ihre Empfehlung, um dieses Problem zu lösen? Was würden Sie Firmen raten, die die Digitalisierung vorantreiben wollen?

Suchocki: Oftmals sorgen sich Unternehmen, was passieren könnte, wenn ein Projekt, das mit BIM oder anderer digitaler Software geplant wurde, schief geht. Dem könnten sie aber entgegenwirken, indem sie digitale Lösungen in kleinen kontrollierten Schritten einführen. Firmen können Pilotprojekte und Tests durchführen, um Sicherheit im Umgang mit BIM zu gewinnen. Digitalisierung passiert nicht über Nacht, und ich empfehle, kleine Schritte in diese Richtung zu gehen und die Scheu zu verlieren. Man sollte das Ganze nicht als die 'große Angst vor dem Unbekannten' sehen, sondern sich eher darauf konzentrieren, welche Vorteile das Arbeiten mit BIM hat. Bauprojekte werden durch digitale Maßnahmen nur sicherer, da sie im Vorhinein viel besser und gewerkübergreifend geplant werden können. Auch die Mitarbeiterweiterbildung ist in dieser Hinsicht ein wichtiger Punkt. Firmen sollten viel Wert darauf legen, ihre Mitarbeiter fortzubilden, denn nur so können diese lernen, sich bei der Arbeit mit neuen Technologien wohlzufühlen.

ABZ: Aber oftmals werden gerade diese Schnittstellen zwischen den Gewerken als problematisch bezeichnet …

Suchocki: Ja, tatsächlich sind diese Schnittstellen ebenso ein Problem wie ältere traditionelle Vertragsmodelle. Letztere basieren auf der 'pen and paper'-Methode und schließen digitales Management oft noch aus. Es gibt da die entsprechenden Verantwortlichen und die Arbeitsbereiche sind klar geteilt. Das ändert sich etwas, wenn digitalisierte Modelle zum Einsatz kommen. Da greifen mehrere Gewerke auf die Daten zu und verwenden sie. Die Herausforderung besteht darin, eine Linie zu finden, und rechtliche Fragen einheitlich zu klären, sodass es auch keine Probleme mehr mit diesen Schnittstellen gibt.

ABZ: Mit der Vertragsgestaltung begeben wir uns in rechtliche Gefilde. Diese sind ja im Hinblick auf BIM-Regelungen auch schwieriges Terrain …

Suchocki: Das stimmt. Ziel sollte es sein, die rechtlichen Aspekte klar zu strukturieren und entsprechende einheitliche Lösungen festzuhalten. Daher braucht es meiner Meinung nach auch Initiativen wie 'Planen, Bauen 4.0'. Denn diese vertraglichen und rechtlichen Dinge müssen von einer 'übergeordneten Gruppe' organisiert werden, die an einheitlichen Lösungen arbeiten. Zudem müsste sich die Industrie generell noch etwas weiter hin zur Digitalisierungsfreundlichkeit entwickeln. Dann können länder- und unternehmensübergreifende Projekte auch einfacher digital geplant und umgesetzt werden.

Mithilfe digitaler Baustellenl?sungen k?nnen Projektverantwortliche die n?chsten Schritte im Vorhinein visualisieren.Fotos: Autodesk

ABZ: In der Studie werteten viele Unternehmen die Themen Risiko- und Sicherheitsmanagement als äußerst wichtig. Welche Erkenntnisse konnten Sie diesbezüglich gewinnen?

Suchocki: Digitalisierung und BIM-Lösungen geben uns die Möglichkeit, Projekte besser umzusetzen und vor allem besser zu planen. Das macht das ganze Projekt an sich schon sicherer und risikoärmer. Das Bauwesen im Allgemeinen ist überall auf der Welt ein sehr risikobehaftetes und gefährliches Berufsfeld. Daher sind sichere Lösungen ein wichtiges Thema. Wenn wir es schaffen, mithilfe digitaler Strukturen und Lösungsansätze Risiken und Unfälle auf Baustellen zu minimieren, ist das schon ein großer Schritt in die richtige Richtung. Allerdings kann der Begriff 'Risiko' innerhalb der Studie auch auf zweierlei Weise verstanden werden.

ABZ: Inwiefern?

Suchocki: Nun ja, es gibt sicherlich den Unterschied, wie Firmen den Begriff 'Risiko' verstehen. Verstehen sie es als risikobehaftet, sich überhaupt für digitale Arbeitslösungen zu entscheiden, weil die Befürchtung im Raum stehen könnte, dass durch Digitalisierung mehr Fehler passieren könnten als mit 'Stift und Papier' – oder aber sehen Firmen digitale und BIM-basierte Lösungen als Möglichkeit, um Unfallrisiken als solche zu minimieren? Das muss man in Anbetracht der Studie ja auch bedenken, dass Unternehmen die Fragestellungen intern anders bewertet haben können.

ABZ: Was denken Sie über diese Unterscheidung?

Suchocki: Wenn Verantwortliche die Digitalisierung als Risiko für ihr Unternehmen einstufen, möchte ich gern darauf hinweisen, dass digitale Lösungen eine große Hilfe sein können, gerade in Bezug darauf, Projekte sicherer und genauer zu planen. Schwierigkeiten oder Herausforderungen können schon im Vorhinein erkannt werden und die Projektleiter können daraufhin alternative Lösungen visualisieren. Die sorgfältige Planung ist wirklich das Wichtigste und absolut elementar, um im weiteren Verlauf auf der sicheren Seite zu sein. Das reduziert das Risikopotenzial auf einer Baustelle bereits sehr.

ABZ: BIM muss laut Studie bei 12 Prozent der befragten Unternehmen noch komplett outgesourct werden – haben wir in Deutschland zu spät mit der passenden Ausbildung angefangen?

Suchocki: Das ist sicherlich ein Einflussfaktor. Einige der Firmen haben bislang vermutlich (noch) nicht die Notwendigkeit gesehen, in Digitalisierungslösungen zu investieren. Das kann zum einen daran liegen, dass sie noch genügend Aufträge bearbeiten, die noch ohne BIM-Kenntnis ausgeführt werden können, oder sie wissen es schlichtweg noch nicht besser. Möglich ist auch, dass die Unternehmen bislang keine Kapazitäten hatten, ihre Mitarbeiter im Bereich BIM weiterzubilden. Meiner Meinung nach sollte sich Letzteres dringend ändern, denn sobald die Mitarbeiter besser mit der Materie vertraut sind, geht ihnen die Arbeit, auch digital, leichter von der Hand.

ABZ: Neben den bereits genannten Herausforderungen – wo sieht die Studie weitere Hürden im Hinblick auf die Digitalisierung im Bauwesen?

Suchocki: Eine große Schwierigkeit ist der Fachkräftemangel und die Gewinnung qualifizierter Nachwuchskräfte. Mit all unserem Engagement, wie zum Beispiel Kooperationen mit Bildungseinrichtungen, versuchen wir bei Autodesk, jungen Menschen zu zeigen, dass die Baubranche ein attraktives Arbeitsumfeld mit vielfältigen Möglichkeiten ist. Die jungen Leute heutzutage sind 'Digital Natives'. Das heißt, sie sind mit Smartphones, digitalen Medienangeboten, dem Internet groß geworden. Deswegen sind Unternehmen, die bereits digital arbeiten, wie etwa mit BIM, Virtual Reality oder Collaborations-Tools, wesentlich attraktiver für den Nachwuchs. Man könnte es wie eine Art Wettstreit zwischen den Unternehmen sehen, denn Berufseinsteiger möchten ja auch mit modernen Technologien arbeiten. Unternehmen sollten diese Chance wirklich nutzen, denn die Möglichkeiten, in der Baubranche Fuß zu fassen, sind groß.

ABZ: Wir befinden uns gerade in besonders herausfordernden Zeiten, da die Corona-Pandemie die Welt nach wie vor in Atem hält. Hat Covid-19 der Digitalisierung am Bau vielleicht auch geholfen?

Suchocki: Es sind wirklich schwierige Zeiten, in denen wir uns aufgrund der Corona-Pandemie befinden. Gerade jetzt sollten Firmen daran denken, dass die Digitalisierung hier auch wirklich eine wichtige Stütze ist. Ich kann nur immer wieder betonen, dass vieles einfacher wird, wenn digitale Lösungen in kleinen Schritten und nach und nach implementiert werden, denn so kann die Branche auch innerhalb solcher Ausnahmefälle weiterarbeiten.

Ich finde es wichtig, gegen den Irrglauben anzugehen, dass ein großes Unternehmen von heute auf morgen alle Bereiche perfekt auf digitale Arbeit umgestellt haben muss. Kleine Schritte können schon eine große Wirkung erzielen und die Arbeitsweisen vereinfachen.

In Bezug auf Corona bin ich sehr froh, dass die Arbeit innerhalb der Baubranche nicht zum Erliegen gekommen ist. Das ist auch der Tatsache zu verdanken, dass die Branche in digitaler Hinsicht generell schon gut aufgestellt ist. Viele Projektmanager und -verantwortliche können ihre Arbeit derzeit einfach von zu Hause aus erledigen. Das hat dazu geführt, dass die Arbeit weiterhin nahezu lückenlos erfüllt werden konnte. Wir haben gesehen, dass Bauunternehmen trotz Corona oftmals keinen 'Productivity Drop' zu verzeichnen hatten. Einige Firmen konnten sogar eine Steigerung verbuchen. Dafür bin ich wirklich dankbar.

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