Bauprozess-Organisation

BIM verlangt einen Kulturwandel zum Miteinander

Die neuen Geschäftsführer der BRZ Deutschland GmbH, Prof. Dr. Ralf-Peter Oepen (l.) und Max Böhler (r.), möchten, dass das Unternehmen nicht zuvorderst als Produktanbieter wahrgenommen wird, sondern als Dienstleistungsunternehmen.Foto: BRZ

Seit nunmehr fünf Jahrzehnten kümmert sich die BRZ Deutschland GmbH darum, Bauprozesse von Bauunternehmen digital und zukunftssicher abzubilden. Zum Januar 2018 haben Max Böhler und Prof. Dr. Ralf-Peter Oepen die Geschäftsführung des Unternehmens an der Zentrale in Nürnberg übernommen. Im Gespräch mit ABZ-Redakteurin Martina Monsees erläuterte das Führungsteam neueste Entwicklungen in der BRZ-Niederlassung in Düsseldorf – dem BIM-Kompetenzzentrum.

ABZ: In Zeiten des digitalen Wandels gilt es, Unternehmen nachhaltig auszurichten. Als Spezialist für Organisation und Bauinformatik begegnet BRZ Deutschland der Zukunft mit zwei Geschäftsführern. Wie kam es dazu und welche Schwerpunkte haben Sie sich gesetzt, Herr Böhler und Herr Oepen?

Oepen: Der digitale Wandel hat auch Auswirkungen auf BRZ gehabt: BRZ ist mittlerweile eine Unternehmensgruppe. Das Zusammenwachsen von Planen und Bauen haben wir über den Zusammenschluss mit der BIB GmbH geschafft. Darüber hinaus agieren wir in der Schweiz und in Frankreich. Methoden und Software stellt die zentral agierende BRZ Software und Service GmbH dar mit den beiden Geschäftsführern Waldemar Kühn und Christian Jurasin. Bei BRZ Deutschland hat es eine altersbedingte Nachfolgeregelung gegeben, nachdem Johannes Lunz, der das Unternehmen zuvor geleitet hat, in den Ruhestand getreten ist. In der Größenordnung, wie wir heute im Markt positioniert sind, sehen wir uns mit zwei Geschäftsführern für die Zukunft gut aufgestellt. Für Aufgaben in der Kundengewinnung und im Kundenmanagement zeichnet Herr Böhler verantwortlich; für Kundenanforderungen aus unserem Dienstleistungs- bzw. Servicebereich trage ich die Verantwortung.

Böhler: Kunden möchten heute nicht mehr zuvorderst eine Softwarelösung erwerben, sondern Organisationsprozesse – z. B. das Rechnungswesen oder das Bauprojektmanagement – optimiert bekommen, wobei die Software dann "Mittel zum Zweck" ist. Sie erwarten, dass wir sie auf dem Weg der Digitalisierung begleiten und wir sehen, dass der Beratungsbedarf diesbezüglich weiterwachsen wird. Im Jahr 2018, zum 50-jährigen Bestehen von BRZ Deutschland, dreht sich nun alles um die nachhaltige Ausrichtung der BRZ-Gruppe im digitalen Wandel. Wir stehen vor großen Veränderungen: Neue Technologien und Methoden verbreiten sich mit wachsender Geschwindigkeit und die Komplexität der Informationsverarbeitung steigt – nahezu im gleichen Maß wie der Anspruch an Einfachheit in der Bedienung und der Prozessgestaltung. Zahlreiche neue Anbieter mit spezialisierten Anwendungen drängen in den Markt. Sie verbinden die neue Intelligenz ehemals analoger Maschinen, Werkzeuge und Objekte mit herkömmlichen Softwareanwendungen. Dies heißt, dass die Unternehmen und damit auch wir wesentlich vernetzter arbeiten werden. Schwerpunkte im kommenden Jahr liegen in der Ausrichtung unserer Organisation auf die vom Markt geforderte Flexibilität und Agilität.

ABZ: Liegt es denn in Ihrem Interesse, Schnittstellen offen zu halten?

Oepen: Wir glauben, dass kein Weg an offenen Schnittstellen vorbeigeht. Denn kein Anbieter kann alle Aspekte der Digitalisierung abbilden. Lösungen müssen unter- und miteinander kommunizieren können.

ABZ: Was macht BRZ heute aus?

Oepen: Unser Leitbild "Organisation und Bauinformatik" steht für den wesentlichen Unterschied zu unseren Wettbewerbern. Für zielorientierte und effiziente Einführungsprozesse bieten wir begleitend Organisations- und Prozessberatung an. Aber auch der Umstand, dass unsere durchgängige Enterprise-Resource-Planning (ERP)-Lösung im Unternehmensnetzwerk selbst, über das eigene Rechenzentrum (OnPremises) oder in der Cloud organisiert werden kann, stellt einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil dar. Ergänzend bietet BRZ Servicedienstleistungen in der Lohnbuchhaltung, dem Rechnungswesen und in der IT-Administration an. Die BIB GmbH bietet mit der Projektdienstleitung im Bereich der modellbasierten Kostenermittlung ein Alleinstellungsmerkmal am Markt an. Somit ist das Unternehmen durch projektbezogene Praxiserfahrung auf dem neuesten Stand. Die Erkenntnisse fließen in den Content der Software zum Nutzen der Kunden ein. Eine weitere Stärke liegt in unseren rd. 500 Mitarbeitern – viele davon in der Kundenberatung und -betreuung. Zudem sind wir mit unseren Partnerunternehmen breiter aufgestellt als alle Wettbewerber.

Böhler: Wir verstehen uns als Partner unserer Kunden auf dem Weg zur Digitalisierung. Nur gemeinsam können wir Digitalisierungsprozesse erfolgreich bewältigen. Daher sehen wir uns auch nicht zuvorderst als Produktanbieter, sondern als Dienstleistungsunternehmen.

ABZ: Der Bauboom sorgt für eine positive Konstellation, bringt jedoch auch Digitalisierungsdruck mit sich. Wie hat sich das Geschäft BRZ vor diesem Hintergrund entwickelt?

Böhler: Die sehr gute konjunkturelle Situation der Baubranche wirkt sich auch positiv auf unsere Entwicklung aus. Tatsächlich bemerken wir eine steigende Nachfrage nach digitalisierten Prozessen und Workflows. Besonders hervorzuheben sind mobile Lösungen zur Datenerfassung sowie digitalisierte Workflows, bspw. im automatisierten Rechnungseingang oder bei Freigabeprozessen. Auch das Arbeiten in Cloud-basierten Projekträumen, über die Dokumente zentral bearbeitet sowie verwaltet oder Abstimmungsprozesse organisiert werden können, setzt sich mehr und mehr durch.

Oepen: Zudem scheinen sich mit der Digitalisierung frühere Berührungsängste beim Arbeiten in der Cloud langsam zu zerstreuen. Mehr und mehr Kunden erkennen Freiräume des Arbeitens in der Cloud. Dabei ist es von Vorteil, dass das BRZ-Rechenzentrum einen europäischen Sicherheitsstandard bieten kann. Aber auch im Dienstleistungsgeschäft verzeichnen wir eine erfreuliche Entwicklung: Vor allem im Bereich unseres Lohnservices. Der Bauboom führte in den beiden vergangenen Jahren zu einem Anstieg der Beschäftigten in Bauunternehmen und damit auch bei Lohnkunden, wodurch die Anzahl der von BRZ abgerechneten Mitarbeiter gestiegen ist. Zudem stellen wir seit geraumer Zeit eine gestiegene Bereitschaft zum Prozessoutsourcing fest. Aktuell rechnen wir in ca. 9200 Bauunternehmen (knapp 70 % davon im Vollservice) ca. 140 000 Arbeitnehmer über BRZ-Systeme ab und das mit weiterhin steigender Tendenz.

ABZ: Sie sind über lange Jahre auch auf praktischer Seite mit der Bauwirtschaft verbunden – Herr Oepen zuletzt als Geschäftsführer der BWI-Bau GmbH und Herr Böhler zuletzt in der Bilfinger Gruppe beim Vertrieb schlüsselfertiger Bauvorhaben im Büro- und Verwaltungsbau. Wie aufgeschlossen zeigen sich Kunden, mit Building Information Modeling (BIM)-Software umzugehen?

Oepen: Man muss im Branchenvergleich feststellen, dass die Digitalisierung in der Bauwirtschaft weniger weit voran geschritten ist als in anderen Branchen. Dies liegt in den vorhandenen Prozessstrukturen begründet. Denn bei der Digitalisierung muss man unterscheiden, ob es sich um Prozesse im Unternehmen oder um übergreifende Prozesse handelt. Während ein Bauunternehmen es im ersten Fall selbst in der Hand hat, Prozesse zu digitalisieren, ist es im zweiten Fall auf den Austausch mit vor- und nachgelagerten Prozesspartnern angewiesen. Hier sind noch Hürden zu überspringen – die mit BIM allerdings weniger, mit Kultur dagegen viel zu tun haben.

Böhler: Die Kultur des Bauens hierzulande ist tendenziell eher von einem Gegeneinander als von einem Miteinander geprägt. Da wir nicht die Kultur des partnerschaftlichen Umgangs miteinander haben, hinken wir bei der Digitalisierung in Deutschland teilweise noch dem europäischen Ausland hinterher. BIM verlangt einen Kulturwandel zum Miteinander, da es sonst bei Insellösungen bleiben wird. Auf die Methodik, partnerschaftlich bei BIM-Projekten zusammenzuarbeiten, wird inzwischen mehr zurückgegriffen, da dies im öffentlichen Bau gefordert und propagiert wird, und dies wird auch weiterhin Platz greifen. Insgesamt sorgt die BIM-Methode dafür, das Bauen effizienter und wirtschaftlicher zu gestalten. So wird es möglich, an diesem Prozess zu partizipieren und die Gewinnmargen für alle am Bauprozess beteiligten Partner zu optimieren – auch für die Bauunternehmen.

ABZ: BRZ Deutschland deckt mit Lösungen die gesamten Verwaltungs- und Produktionsprozesse in der Wertschöpfungskette Bau ab. Was bedeutet das?

Oepen: BRZ Deutschland ist als spezialisierter Partner für bauausführende Unternehmen groß geworden. Vor rd. zehn Jahren haben wir festgestellt, dass die Grenzen zwischen Planung und Bauausführung immer fließender werden (GU, SF-Bau) und die Nachfrage an integrierten Lösungen steigt. Dem konnten wir mit Partnerschaften begegnen. Die gesamte Lösungskompetenz für die komplette Wertschöpfungskette bildet die BRZ-Gruppe mit Beteiligungen und strategischen Partnern ab. Das Know-how im Bereich der Investoren, Projektentwickler und Planer bringt die BIB GmbH mit, die seit 2017 eine 100 %-ige Tochter von BRZ ist. Das Unternehmen unterstützt Kunden der Immobilienbranche vom Projektentwickler über den Planer bis zum Generalunternehmer mit praxiserprobter Software in den projektbezogenen Prozessen. Übergreifend profitieren wir vom BIM-Know-how der BIB und der Stärke in den baubetrieblichen und baubetriebswirtschaftlichen Lösungen von BRZ.

Prof. Dr. Ralf-Peter Oepen hat bereits zahlreiche Bauunternehmen beraten – zur strategischen Weiterentwicklung, zur Optimierung von Geschäftsprozessen oder zur ergebnisorientierten Steuerung von Bauprojekten.Foto: Panagiotis Koukoudis

ABZ: Was bietet BRZ im Kontext mit BIM?

Böhler: Die BRZ-Gruppe bietet auch durch unsere Partnerschaften ein umfassendes Lösungsspektrum im BIM-Kontext an. Bereits erwähnt wurde die BIB GmbH, die speziell im Hochbau praxisrelevante Lösungen anbietet. Speziell für den Tiefbau bietet der "Baustellenmanager" unseres Partners ISL-Kocher e.K. Effizienzvorteile – in den Bereichen der modellbasierten Mengenermittlung und Abrechnung. In die Lösungen integriert ist ein Multiprojektraum, den wir mit unserem Partner NovaCapta an Prozessanforderungen unserer Kunden angepasst haben. Von übergreifender Bedeutung für das BIM-basierte Arbeiten ist das BIM-Management. Diese Kompetenz bringt unsere Beteiligungsgesellschaft ceapoint aec technologies GmbH in die Gruppe ein. Mit der Lösung "DESITE MD PRO" lassen sich Bauwerksmodelle verbinden und Planungs-, Qualitätssicherungs- und Ausführungsprozesse optimieren.

Oepen: Auch bei der Einführung der Methode BIM gilt: Die Werkzeuge sind nur eine Seite der Medaille. Wir unterstützen unsere Kunden auch bei der Einführung der Methode über Prozessberatung. Schließlich bieten wir mit der Lösung "BIM4You" einen umfangreichen, vordefinierten Inhalt bzw. Content, den man bei anderen Lösungen erst selbstständig aufbauen muss. Auf dieser Basis helfen wir unseren Kunden bei der Einführung der Lösung, den BIM-Content unternehmensindividuell weiter zu entwickeln.

ABZ: BRZ hat jüngst eine Bündelung der BIM-Kompetenz in zwei Expertenteams (Hoch- und Tiefbau) vorgenommen. Welche Vorteile erhoffen Sie sich davon?

Böhler: In der Kundenberatung müssen wir immer wieder die richtige Dosis zwischen Allrounder- und Spezialisten-Wissen finden. Die BIM-Methodik und Prozesse in einzelnen Disziplinen erfordern ein hohes Maß an Spezialisierung und Praxiserfahrung, die nur durch die Bündelung unserer Kompetenzen in Expertenteams sichergestellt werden kann. So können wir effizientere Lösungsansätze für Kunden anbieten. Wir möchten für Kunden, aber auch für Interessenten kompetenter und erster Ansprechpartner zu Digitalisierung und BIM sein. In Expertenteams – z. B. zusammengesetzt aus den Bereichen Rechnungswesen, BIM, Kalkulation – sehen wir dafür den richtigen Weg.

ABZ: Was verbirgt sich z. B. hinter der 5D-Lösung "BIM4You" für den Hochbau?

Oepen: BIM4You ist eine ganzheitliche Systemlösung für die Immobilienwirtschaft, die den gesamten Lebenszyklus eines Bauvorhabens abdeckt. In der Software besteht die Möglichkeit, die umfangreichen Prozesse der Branche mit, aber auch ohne 3-D-Modelle zu managen. In diesem Sinne können Kalkulationen für die Projektentwicklung, das Projektcontrolling (Budget und Erlöse) oder Qualitätsmanagementsaufgaben im Projektmanagement erledigt werden. Gleichzeitig bietet sie auch die Möglichkeiten einer durchgängigen, modellbasierten 5D-Lösung. Darunter ist die Verknüpfung der 3D-Modelle mit der vierten Dimension (Zeiten) und fünften Dimension (Kosten) zu verstehen. Ohne Medienbrüche wird in BIM4You eine Verbindung zwischen diesen Dimensionen hergestellt – mit dem Vorteil, dass Änderungen in einer Dimension Auswirkungen auf die anderen haben. Dank der dynamischen Verknüpfung mit einer Datenbank hat man immer den aktuellen Stand des Projektes im Blick.

Für Max Böhler ist der ständige Kontakt zu allen Beteiligten auf den Baustellen ein Muss im Projekt.Foto: BRZ

ABZ: Wo befindet sich "BIM4You" bereits erfolgreich im Einsatz?

Böhler: Investoren und Projektentwickler bedienen sich der datenbankgestützten Projektentwicklungskalkulation, dem Grundstücksmanager und dem Budgetcontrolling, um ihre Projekte zu steuern. Architekten legen Wert auf die Verbindung der Objektplanung mit der Kostendatenbank in BIM4You über dynamische Verknüpfungsregeln. (Schlüsselfertig-) Bauunternehmen – welche oft auch unser ERP-System nutzen – verwenden die Verknüpfung von Planung und Budget-Controlling mit Übergabe der Daten an BRZ im gesamten Funktionsumfang unserer Lösung. Hierdurch laufen modellbasierte Daten automatisch in die ERP-Lösung ein, was zu einer starken Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung auf Bauunternehmensseite führt.

ABZ: Welche Schulungen und Weiterbildungen bietet das BIM-Kompetenzzentrum?

Böhler: Schulung und Weiterbildung spielen eine entscheidende Rolle – dies auch unabhängig von der Digitalisierung. Daher haben wir schon vor Jahren unsere BRZ-Akademie aus der Taufe gehoben und bieten Schulungsmaßnahmen in Unternehmen an. Besonders gewachsen sind Webinare und Online-Schulungen, über die wir noch spezifischer auf den Wissensbedarf unserer Kunden eingehen können. Zudem arbeiten wir mit unserem strategischen Partner BWI-Bau GmbH – Institut der Bauwirtschaft zusammen, um gemeinsam Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen anzubieten.

ABZ: Stichwort Zukunftsvision: Wie wird die Bauwirtschaft in fünf Jahren arbeiten?

Oepen: Wir gehen davon aus, dass die Welt des Bauens noch bunter wird als sie es bereits ist, und schätzen, dass sich die Welt des öffentlichen Bauens anders entwickelt als die Welt des privatwirtschaftlichen Bauens. Planen und Bauen werden grundsätzlich verzahnter stattfinden – dies im öffentlichen Bau sicher anders als im privatwirtschaftlichen Bau. Die Digitalisierung wird in allen Bereichen des Bauens Einzug halten. Wir haben in Vorbereitung des 50-jährigen Jubiläums – das wir am 12. Oktober feiern – das Projekt BRZ 2025 aufgesetzt. Da beantworten wir die Frage vollumfänglich.