Rund 800 Millionen Punkte
BIM bei historischen Tunnelbauwerken
Darmstadt (ABZ). – Bei der Erneuerung zweier historischer Eisenbahntunnel setzt Krebs+Kiefer laut eigener Aussage auf eine anwendungsorientierte BIM-Bestandsmodellierung. Das Planungsbüro kombiniert dabei hochpräzise Laserscans mit punktuellen Erkundungsbohrungen und passt die Modellierungstiefe an die verfügbare Datenlage an.

Zahlreiche Kunstbauten des Deutschen Schienennetzes sind veraltet und bedürfen einer Erneuerung. Die Bestandsmodellierung gehört zu den besonderen Herausforderungen in der Planung der Sanierungsprojekte. Foto: KREBS KIEFER Ingenieure
Die DB InfraGO AG hat Krebs+Kiefer als Generalplaner für die Erneuerung des Schellenstein-Tunnels bei Olsberg und des Gudenhagener Tunnels bei Brilon beauftragt. Beide Bauwerke stehen exemplarisch für zahlreiche Kunstbauten des deutschen Schienennetzes, die eine Erneuerung benötigen.
Der 1870/71 erbaute Schellenstein-Tunnel liegt auf der zweigleisigen Strecke zwischen Aachen und Kassel und unterquert auf 247 m Länge die Anhöhe "Im Hagen". Eine letzte Instandsetzung erfolgte 1988/89. Der 280 m lange, eingleisige Gudenhagener Tunnel von 1901 ist Teil der Strecke Paderborn – Brilon Wald und unterquert den Ausläufer des "Hängeberges".
Beide Tunnelbauwerke wurden in bergmännischer Bauweise mit Hufeisenprofil hergestellt. Der schlechte bauliche Zustand macht laut Angaben des Planungsbüros eine Erneuerung erforderlich. Projektstart für die Planungen war jeweils Dezember 2023. Wie für derart alte Bauwerke charakteristisch, liegen nur wenige Unterlagen aus der Bauzeit oder von kleineren Instandsetzungsmaßnahmen vor. Das vorhandene Planmaterial besteht aus händisch erstellten, inzwischen gescannten Zeichnungen und gibt wenig Aufschluss über die tatsächliche Beschaffenheit der Bauwerke.
Im Zentrum der Bestandsmodellierung steht daher die Erfassung mittels 3D-Vermessung sowie zusätzlicher Erkundungsmaßnahmen. Luftseitig kommt ein 3D-Laserscanner zum Einsatz, der durch den jeweiligen Tunnel gefahren wird. Die dabei erzeugte Punktwolke erfasst die sichtbare Innenseite des Bauwerks sowie die Tunnelportale und Einschnittsböschungen. Mit jeweils circa 800 Millionen Punkten und einer Datengröße von 14 GB ist die Datenlage an dieser Stelle überaus exakt.

Die Innenseite der Tunnel lässt sich hochpräzise per Laserscan erfassen. Die dabei erzeugte Punktwolke umfasst rund 800 Millionen Punkte. Erdseitig stehen dem lediglich zwei Dutzend Erkundungsbohrungen gegenüber. Foto: KREBS KIEFER Ingenieure
Bergseitig steht dem hingegen eine Baugrunderkundung mit 25 Bohrungen gegenüber, aus denen fünf Erkundungsquerschnitte der Tunnelwand à fünf Erkundungsbohrungen hervorgehen. Laut Krebs+Kiefer entsteht dadurch ein enormes Missverhältnis, das für die anwendungsfallorientierte Bestandsmodellierung eine große Rolle spielt. Die Erstellung der Bestandsmodelle sollte nach Ansicht der Planer immer dem Projektziel dienend erfolgen. Dementsprechend sei es nicht zielführend, die vielen Millionen Punkte auf der Luftseite tatsächlich zu verarbeiten, während die Bergseite lediglich mit 25 Punkten abgebildet wird. Das hieraus resultierende Volumenmodell der bestehenden Tunnelinnenschale würde eine interpolierte Interpretation des bergseitigen Verlaufs erfordern, wobei der tatsächliche Verlauf zwischen den Erkundungsquerschnitten unbekannt ist.
Aus diesem Grund wählte Krebs+Kiefer eigenen Angaben zufolge für die Erstellung der Bestandsmodelle eine Vereinfachung. Dabei werden Schnitte im Bereich der Erkundungsquerschnitte aus dem 3D-Laserscan extrahiert. Diese dienen über die fünf Bereiche jeweils hälftig bis zum nachfolgenden Erkundungsquerschnitt als Datengrundlage. Daraus resultiert zwar eine Abweichung vom tatsächlichen Laserscan über den gesamten Tunnelverlauf, doch spiegelt die Datendichte so auf der Innenseite einen vergleichbaren Informationsgehalt wie auf der Bergseite wider.
Um ein solches, dem Projektziel angemessenes Bestandsmodell zu erstellen, wurde im ersten Schritt die Position der Bohrungsquerschnitte entlang der Streckenachse ermittelt. An diesen Stellen übertrug Krebs+Kiefer die entsprechenden Querschnitte aus der Punktwolke per Live-Übertragung aus Scalypso mobile nach Allplan.
Im Vorfeld galt es, die enorme Größe der Vermessungsdaten zu bewältigen. Die Punktwolke wurde in komprimierter Form in Scalypso geladen, um dort die Übertragungsquerschnitte zu definieren. "Mit der Kombination von Allplan und Scalypso ist eine Umsetzung des BIM-Anwendungsfalls 020 – Bestandsmodellierung – für komplexe Bauwerke wie Tunnel in einer wirtschaftlichen Bearbeitungsdauer sehr gut umsetzbar", sagt Michael Sklorz, Prokurist bei Krebs+Kiefer. Zur besseren Bearbeitung wurde die Arbeitsebene in Allplan auf den jeweils zu bearbeitenden Querschnitt definiert. Aus der Kombination von Bohrungsquerschnitt und Punktwolkenquerschnitt ließ sich der eigentliche Tunnelquerschnitt erzeugen. Da die Fundamente der Tunnelinnenschale weder im Detail erkundet noch per Laserscan erfasst werden können, wurden sie mithilfe von Zeichnungen aus dem Baujahr modelliert.
Um aus den erstellten 2D-Querschnitten ein 3D-Objekt zu generieren, wurden diese entlang der Tunnelachse von Erkundungsquerschnitt zu Erkundungsquerschnitt extrudiert. Die Modellierung der Tunnelportale erfolgte auf Basis der Bestandspläne und der Vermessungsdaten.
Zur Qualitätssicherung wurde das erstellte Bestandsmodell via CloudCompare mit einem aus der Punktwolke erzeugten Oberflächenmodell abgeglichen. Eine Farbcodierung gibt dabei Aufschluss über eventuelle Abweichungen.
Krebs+Kiefer setzt auch im weiteren Projektverlauf auf Allplan, unter anderem bei der Modellierung der Varianten für die Ersatzneubauten der Tunnel. Beim Anwendungsfall "Visualisierung" profitieren die Ingenieure eigener Aussage nach von der Schnittstelle zum Twinmotion Direct Link, durch den sich Modelle problemlos in die Visualisierungs-Software überführen lassen und Änderungen in Echtzeit synchron visualisiert werden.


